Buchpräsentation

1954 - Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland

1954 - Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland

Datum:
Lesedauer:
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Am 25. September 2023 fand im Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr) die Vorstellung des neuen Bandes der Edition „Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland“ (AAPD) statt - diesmal zum Jahr 1954 . Seit 1990 erstellt das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) im Auftrag des Auswärtigen Amtes (AAAuswärtiges Amt) diese laufende Edition mit wegweisenden Akten aus der bundesrepublikanischen Geschichte. 

Frau Dr. Hochstetter spricht hinter einem Rednerpult

Dr. Dorothee Hochstetter stellt umfangreich den neuen Band vor. Schwerpunkt ihrer Forschung am ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr ist die Edition der Protokolle des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages.

Bundeswehr/ Leo Döring

 

Oberst Dr. Sven Lange, der Kommandeur des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, betonte zu Beginn der Veranstaltung, dass die Buchpräsentation des Bandes aus guten Gründen in einer Bundeswehr -Dienststelle stattfinde, die zugleich eine militärgeschichtliche Forschungseinrichtung ist, da das Jahr 1954 mit den Pariser Verträgen bedeutende Weichenstellungen in der Militär- und Sicherheitspolitik markierte. Weiterhin unterstrich er, dass Akteneditionen im Allgemeinen eine anspruchsvolle „Kärrnerarbeit“ seien, die der Forschung wertvolle Dienste leiste. Bisher erschienen die Bände der Jahre 1949 bis 1954 und 1961 bis 1992. Erstmalig fand nun die Vorstellung des im Verlag De Gruyter Oldenbourg erschienenen neuen Bandes in Kooperation des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr und IfZ statt.  „Die Edition ist längst eine unentbehrliche Grundlage geworden“, so Oberst Dr. Sven Lange. Dabei leiste das IfZ einen „immens wichtigen Beitrag zur Grundlagenforschung“. 

Im Anschluss lobte Prof. Dr. Wirsching, Direktor des IfZ und Hauptherausgeber der AAPD, den Einsatz aller Beteiligten, die an der Erstellung der nun vorliegenden Ausgabe für das Jahr 1954 mitarbeiteten: „Eine solche Edition zu erstellen, ist eine große Leistung“. Der Direktor des IfZ, dankte besonders der Bearbeiterin des Bandes, Frau Dr. Mechthild Lindemann (IFZ), für ihre hervorragende Arbeit. Inhaltlich hob er mit Blick auf das Jahr 1954 die bemerkenswerte Leistung der beteiligten Politiker und Diplomaten heraus, die innerhalb von nicht einmal zwei Monaten das komplexe Pariser Vertragswerk ausgearbeitet hätten. 

Professort Wirsching spricht vom Rednerpult

Prof. Dr. Andreas Wirsching: Inhaber des Lehrstuhls für Neueste Geschichte und Direktor des Instituts für Zeitgeschichte München.

Bundeswehr/ Leo Döring

Dr. Dorothee Hochstetter, wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, zuständig für die Edition der Protokolle des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, stellte den Band vor. „Bundestrainer Herberger hat mich an diesem Tag nicht im Stich gelassen.“ Mit diesem Zitat Konrad Adenauers nach der bundesdeutschen 1:3 Niederlage im Fußballländerspiel gegen Frankreich vom 16. Oktober 1954 leitete sie ihren Vortrag ein. Denn aus bundesrepublikanischer Perspektive galt es 1954 insbesondere Frankreich für die eigene sicherheitspolitische Einbettung in Europa zu gewinnen. Sie skizzierte die wichtigsten Wegmarken der westdeutschen Außenpolitik des Jahres 1954 und ging auf wichtige Forschungsfragen ein: 1. Die persönliche Rolle des Bundeskanzlers für die Erreichung der außenpolitischen Ziele Deutschlands: Westbindung, staatliche Souveränität, Sicherheit, Gleichberechtigung, Wiedergutmachung mit Israel und Ausgleich mit Frankreich, 2. Die Interessen aller beteiligten Mächte als Teil einer multinationalen und supranationalen Geschichte des Kalten Krieges und schließlich 3. Gründe für das Scheitern der EVG.

Adenauers außenpolitische Ziele

Am 30. August1954 wurde die Ratifikation des Vertrages zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) durch die französische Nationalversammlung abgelehnt. Vor diesem Hintergrund hob Dr. Hochstetter den Wert der Akten für die Forschung hervor. Wesentlich lieferten sie Antworten auf die Fragen nach der persönlichen Rolle Konrad Adenauers für die außenpolitischen Ziele der Bundesrepublik, die Interessen aller beteiligten Mächte sowie Gründe für das Scheitern der EVG. Zum Letztgenannten konstatierte sie drei Faktoren: abflauender europäischer Elan, die Vermengung wirtschaftlicher und sicherheitspolitischer Aspekte und die abnehmende Kriegsangst in Europa nach Beendigung des Koreakrieges. Letztlich zeigten die Akten „Ziele und Handlungsmöglichkeiten der Beteiligten“, so Dr. Hochstetter.

Die Bundesrepublik findet ihren Platz

Gleichwohl unterstrich Dr. Hochstetter die weiteren Entwicklungen des Jahres: „Nach dem Scheitern der EVG war es in nur sieben Wochen gelungen, verteidigungspolitische Bündnisse aufzubauen.“ Denn mit Abschluss der Pariser Verträge am 23. Oktober ordneten die drei westlichen Siegermächte ihr Verhältnis zu Deutschland neu. Der BRD öffnete sich der Weg in die NATO und ihr wurde weitestgehende Souveränität zugestanden. 

In weiteren Dokumenten würden die außenpolitischen Beziehungen vor allem zu den USAUnited States of America, Frankreich und Israel sichtbar, führte Dr. Hochstetter aus. Auch befassten sich 30 Dokumente mit der „Deutschen Frage“, ferner mit den Kriegsfolgen und der politischen Organisation Europas. Auch Kurioses komme nicht zu kurz: Der sich in Besitz des ägyptischen Königshauses befindliche Marschallstab des Generalfeldmarschalls von Brauchitsch stand in jenem Jahr zur Auktion, sollte jedoch auf Betreiben des Auswärtigen Amtes nicht an Privatpersonen verkauft werden. Eine mögliche Rückgabe an die Bundesrepublik verknüpfte das ägyptische Königshaus jedoch an die Rückgabe der Büste von Nofretete - ein augenscheinlich aktuelles Thema, so Dr. Hochstetter.

Vielfalt und Bandbreite

Auf 1508 Seiten, verteilt auf zwei Teilbände befinden sich 470 Dokumente der bundesrepublikanischen Außenpolitik des Jahres 1954, überwiegend aus dem politischen Archiv des Auswärtigen Amtes. Ein wissenschaftlicher Apparat unterstützt die Kontextualisierung. Um eine zeitgenössische Verzerrung zu vermeiden, wurde dabei auf Sekundärliteratur verzichtet. Dr. Hochstetter hob das umfangreiche Personen- und Sachregister hervor, welches eine zielgerichtete Suche innerhalb der chronologisch geordneten Dokumente ermögliche. Sie schloss ihre Vorstellung damit, dass der Band die „Vielfalt und Bandbreite deutscher Außenpolitik des Jahres 1954“ zeige. 

Auf dem Podium diskutieren sitzend drei Männer und eine Frau

Auf den Vortrag folgte eine Podiumsdiskussion: Andreas Wirsching (IfZ), Mechthild Lindemann (IfZ), Dominik Geppert (Universität Potsdam) und Christoph Nübel (ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr) (v.l.n.r.).

Bundeswehr/ Leo Döring

Podiumsdiskussion 

Anschließend fand eine Podiumsdiskussion unter Leitung von Prof. Dr. Wirsching statt, an der Dr. Mechthild Lindemann, Dr. Christoph Nübel (ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr) sowie Prof. Dr. Dominik Geppert (Universität Potsdam) teilnahmen. Es wurden Fragen der Europa- und Verteidigungspolitik, der innerdeutschen Beziehungen und der „Globalen“ Politik diskutiert. Auf die  Frage, was sie im Zuge ihrer Recherchen überrascht habe, antwortete Lindemann, dass die großen innenpolitischen Widerstände in den westeuropäischen Nachbarstaaten gegen eine Kooperation mit den ehemaligen Kriegsgegner Deutschland bemerkenswert deutlich waren. Nübel betonte, dass die Pariser Verträge und die damit verbundene Verankerung der Bundesrepublik im westlichen Bündnis entgegen landläufiger Meinung nicht die Zementierung der deutschen Teilung zur Folge gehabt habe, sondern dass diese bereits 1953 nicht mehr abzuwenden gewesen sei. 

Auf die Frage, ob Bundeskanzler Adenauer das Scheitern der EVG als persönliche Niederlage betrachtet habe, antwortete Geppert, dass dieser das Projekt zwar mit Entschlossenheit verfolgt, sich aber rasch umorientiert habe, sobald dessen Scheitern absehbar gewesen sei. Am Ende der Diskussion wurden Fragen aus dem Publikum miteinbezogen, die auf  die große Bedeutung des Jahres 1954 für die Geschichte der Bundesrepublik rekurrierten sowie Kontinuitäten der deutschen auswärtigen Politik bis heute betonten. 

Buch

Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1954

2 Bände
Wissenschaftliche Leiterin: Ilse Dorothee Pautsch
Herausgeber: Andreas Wirsching, Stefan Creuzberger und Hélène Miard-Delacroix
Bearbeiterin: Mechthild Lindemann
C, 1507 Seiten
Verlag De Gruyter Oldenbourg, Berlin 2023

von Mischa Bose und Benjamin Rosenstengel

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