Die Parlamentsarmee als Schutz vor Rechtsextremismus
Die Parlamentsarmee als Schutz vor Rechtsextremismus
- Datum:
- Ort:
- Berlin
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Dr. Eva Högl, Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, will der Bundeswehr kein Haltungsproblem attestieren. „Das unterschreibe ich never ever“, sagte sie auf der Podiumsdiskussion „Rechtsextremismus in den Streitkräften – damals und heute“ in der Stiftung Topographie des Terrors. Neben ihr diskutierten Prof. Dr. Sönke Neitzel, Universität Potsdam, Dr. Heiko Biehl, ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, und Heike Kleffner. Moderator war Dr. Andreas Braune.
Rechtsextremismus und Militär
Nach einer Begrüßung durch die Direktorin der Stiftung, Dr. Andrea Riedle, und einem Grußwort von Prof. Dr. Martin Sabrow vom Leibniz-Forschungsverbund „Wert der Vergangenheit“ leitete der Moderator in das Thema ein. Er nahm dabei Bezug auf die Ausstellung „Gewalt gegen Weimar„ und eröffnete drei Aspekte: die Rolle der Reichswehr in der Weimarer Republik, die Neugründung der Bundeswehr mit den Lehren aus Weimar und die Armee im Zeitalter der Zeitenwende. Insbesondere stellte er die Frage in den Raum, wie anfällig eine Armee für Rechtsextremismus sei.
Die Frage, ob die Reichswehr ein „Staat im Staate“ war, verneinte Prof. Neitzel. Er führte vielmehr aus, dass die Reichswehr das Überleben der Republik in ihrer Anfangszeit sichergestellt hatte. Es wurde jedoch versäumt, die Soldaten und insbesondere die Veteranen des Ersten Weltkriegs in die demokratischen Strukturen einzubinden und aufzunehmen. „Weimar ist an vielem gescheitert, nur nicht an der Reichswehr“, so das Fazit von Prof. Neitzel. Ein Beispiel dafür war das Agieren der Reichswehr beim Hitler-Putsch 1923. Generaloberst Hans von Seeckt hatte im Zuge des Ausnahmezustandes die Möglichkeit, die Macht zu übernehmen. Dies tat er nicht, sondern sicherte durch das Verbot der NSDAPNationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei die Weimarer Republik. Am 28. Februar 1924 gab er seine Sonderbefugnisse ab und setzte die parlamentarischen Rechte wieder in Kraft.
Die Bundeswehr ein Gegenentwurf zur Reichswehr
Nach dem Zweiten Weltkrieg war bei der Frage um die Wiederbewaffnung der Blick vor allem auf die Reichswehr gerichtet. Die Fehler, die erkannt wurden, sollten nicht wiederholt werden. So gelang es, wie Heiko Biehl, ausführte, die Bundeswehr durch Konzepte wie „Innere Führung“ und „Staatsbürger in Uniform“ als organischen Teil des jungen Staates zu etablieren. Bereits frühzeitig wurden dabei mit sozialwissenschaftlichen Methoden die Einstellung der Soldaten und die Haltung der Bundeswehr zu Demokratie und Grundgesetz überprüft. Hierbei konnte, wie Heiko Biehl weiter erläuterte, bis heute in den Streitkräften eine hohe und stabile Zustimmung zu den demokratischen Werten ermittelt werden. Sozialwissenschaftliche Untersuchungen zeigten, dass in der Bevölkerung vor allem die Gruppe der Arbeiter und Arbeiterinnen besonders anfällig für Rechtsextremismus sei. Unter Beamtinnen und Beamten (dazu zählen u.a. Soldateninnen und Soldaten sowie Richterinnen und Richter) sei hingegen eine überwiegende Mehrheit unempfindlich für derlei Gedankengut.
Die Bundeswehr wird zu einer Armee der Republik, die Reichswehr war nur eine Armee in der Republik.
Dem schloss sich auch Eva Högl an. Sie betonte, dass ihr Wunsch bei Amtsantritt war, sich andere Schwerpunkte als das Thema Rechtsextremismus zu suchen. Durch die Ereignisse im KSKKommando Spezialkräfte war sie jedoch gezwungen, dieser Thematik Priorität einzuräumen. So würde sie bei allen Truppenbesuchen dazu ermuntern, genau hinzuschauen und Verdachtsfälle zu melden. Dass dies umgesetzt würde, ließe sich an den Zahlen des MADMilitärischer Abschirmdienst ablesen. Ein weiterer Aspekt, der dazu beiträgt, die Streitkräfte vor Rechtsextremismus zu schützen, ist die obligatorische Sicherheitsüberprüfung vor der Einstellung. Diese wird auch für Reservistinnen und Reservisten durchgeführt, um sicherzustellen, dass auch unter den ehemaligen Soldatinnen und Soldaten, die weiterhin für den Einsatz in den Streitkräften bereitstünden, keine Demokratiefeinde unentdeckt blieben. Besonders hob Eva Högl hervor, dass, im Gegensatz zur weitverbreiteten Meinung, insbesondere die Soldatinnen und Soldaten in Ostdeutschland fest in der Demokratie verwurzelt wären und einen positiven Wertekanon besäßen.
Verdachtsfälle gestiegen – Extremistenzahl bleibt klein
Auf dem Podium war man sich einig, dass jeder Fall einer zu viel sei und alle weiter wachsam bleiben müssten. Die gestiegene Zahl der Verdachtsfälle zeige dabei die Sensibilisierung der Mitarbeitenden der Bundeswehr. Die Zahlen der als gesichert rechtsextrem eingestuften Personen sind jedoch stabil im niedrigen zweistelligen oder sogar einstelligen Bereich. Die Journalistin und Autorin Heike Kleffner ging jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus, ohne dafür Hinweise oder Belege zu haben. Dafür erhielt sie auch von den Mitdiskutanten viel Widerspruch. Dr. Högl brach hier eine Lanze für die Soldatinnen und Soldaten. Dem schloss sich auch Prof. Neitzel an. Analog zu seiner These zu Weimar stellte er die Vermutung an, dass die Werte der Bundesrepublik vermutlich als letztes noch von der Bundeswehr verteidigt würden.
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