Podiumsdiskussion

Die Parlamentsarmee als Schutz vor Rechtsextremismus

Die Parlamentsarmee als Schutz vor Rechtsextremismus

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
4 MIN

Dr. Eva Högl, Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, will der Bundeswehr kein Haltungsproblem attestieren. „Das unterschreibe ich never ever“, sagte sie auf der Podiumsdiskussion „Rechtsextremismus in den Streitkräften – damals und heute“ in der Stiftung Topographie des Terrors. Neben ihr diskutierten Prof. Dr. Sönke Neitzel, Universität Potsdam, Dr. Heiko Biehl, ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, und Heike Kleffner. Moderator war Dr. Andreas Braune. 

im Vordergrund sind die Zuhörer und im Hintergrund die Redner auf dem Podium und eine Frau spricht am Rednerpult

Die Stiftungsdirektorin Dr. Riedle stellte in ihrer Begrüßung die Frage, ob Rechtsextremismus ein strukturelles Problem der Bundeswehr sei.

Bundeswehr/Christian Deckart

Rechtsextremismus und Militär

zwei männliche Diskussionsteilnehmer

Dr. Heiko Biehl (li.), Prof. Dr. Sönke Neitzel betonten, dass die Bundeswehr als Lehre aus der Vergangenheit gut vor Rechtsextremismus geschützt ist.

Bundeswehr/Christian Deckart

Nach einer Begrüßung durch die Direktorin der Stiftung, Dr. Andrea Riedle, und einem Grußwort von Prof. Dr. Martin Sabrow vom Leibniz-Forschungsverbund „Wert der Vergangenheit“ leitete der Moderator in das Thema ein. Er nahm dabei Bezug auf die Ausstellung „Gewalt gegen Weimar„ und eröffnete drei Aspekte: die Rolle der Reichswehr in der Weimarer Republik, die Neugründung der Bundeswehr mit den Lehren aus Weimar und die Armee im Zeitalter der Zeitenwende. Insbesondere stellte er die Frage in den Raum, wie anfällig eine Armee für Rechtsextremismus sei.

Die Frage, ob die Reichswehr ein „Staat im Staate“ war, verneinte Prof. Neitzel. Er führte vielmehr aus, dass die Reichswehr das Überleben der Republik in ihrer Anfangszeit sichergestellt hatte. Es wurde jedoch versäumt, die Soldaten und insbesondere die Veteranen des Ersten Weltkriegs in die demokratischen Strukturen einzubinden und aufzunehmen. „Weimar ist an vielem gescheitert, nur nicht an der Reichswehr“, so das Fazit von Prof. Neitzel. Ein Beispiel dafür war das Agieren der Reichswehr beim Hitler-Putsch 1923. Generaloberst Hans von Seeckt hatte im Zuge des Ausnahmezustandes die Möglichkeit, die Macht zu übernehmen. Dies tat er nicht, sondern sicherte durch das Verbot der NSDAPNationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei die Weimarer Republik. Am 28. Februar 1924 gab er seine Sonderbefugnisse ab und setzte die parlamentarischen Rechte wieder in Kraft.

Die Bundeswehr ein Gegenentwurf zur Reichswehr

Totale des Veranstaltungssaales von hinten mit allen Teilnehmenden und Zuhörern

Das gefüllte Auditorium zum Thema Rechtsextremismus in Streitkräften

Bundeswehr/Christian Deckart

Nach dem Zweiten Weltkrieg war bei der Frage um die Wiederbewaffnung der Blick vor allem auf die Reichswehr gerichtet. Die Fehler, die erkannt wurden, sollten nicht wiederholt werden. So gelang es, wie Heiko Biehl, ausführte, die Bundeswehr durch Konzepte wie „Innere Führung“ und „Staatsbürger in Uniform“ als organischen Teil des jungen Staates zu etablieren. Bereits frühzeitig wurden dabei mit sozialwissenschaftlichen Methoden die Einstellung der Soldaten und die Haltung der Bundeswehr zu Demokratie und Grundgesetz überprüft. Hierbei konnte, wie Heiko Biehl weiter erläuterte, bis heute in den Streitkräften eine hohe und stabile Zustimmung zu den demokratischen Werten ermittelt werden. Sozialwissenschaftliche Untersuchungen zeigten, dass in der Bevölkerung vor allem die Gruppe der Arbeiter und Arbeiterinnen besonders anfällig für Rechtsextremismus sei. Unter Beamtinnen und Beamten (dazu zählen u.a. Soldateninnen und Soldaten sowie Richterinnen und Richter) sei hingegen eine überwiegende Mehrheit unempfindlich für derlei Gedankengut.  

braunhaariger Mann mit Brille, Hemd und Sakko
Prof. Dr. Sönke Neitzel Bundeswehr/Christian Deckart
Die Bundeswehr wird zu einer Armee der Republik, die Reichswehr war nur eine Armee in der Republik.

zwei weibliche Diskussionsteilnehmer und der männliche Moderator

Dr. Andreas Braune (li., Moderator), Heike Kleffner, Dr. Eva Högl (re.) gingen vor allem der Frage nach, wie die aktuellen Fälle des Rechtsextremismus zu bewerten seien.

Bundeswehr/Christian Deckart

Dem schloss sich auch Eva Högl an. Sie betonte, dass ihr Wunsch bei Amtsantritt war, sich andere Schwerpunkte als das Thema Rechtsextremismus zu suchen. Durch die Ereignisse im KSKKommando Spezialkräfte war sie jedoch gezwungen, dieser Thematik Priorität einzuräumen. So würde sie bei allen Truppenbesuchen dazu ermuntern, genau hinzuschauen und Verdachtsfälle zu melden. Dass dies umgesetzt würde, ließe sich an den Zahlen des MADMilitärischer Abschirmdienst ablesen. Ein weiterer Aspekt, der dazu beiträgt, die Streitkräfte vor Rechtsextremismus zu schützen, ist die obligatorische Sicherheitsüberprüfung vor der Einstellung. Diese wird auch für Reservistinnen und Reservisten durchgeführt, um sicherzustellen, dass auch unter den ehemaligen Soldatinnen und Soldaten, die weiterhin für den Einsatz in den Streitkräften bereitstünden, keine Demokratiefeinde unentdeckt blieben. Besonders hob Eva Högl hervor, dass, im Gegensatz zur weitverbreiteten Meinung, insbesondere die Soldatinnen und Soldaten in Ostdeutschland fest in der Demokratie verwurzelt wären und einen positiven Wertekanon besäßen.

Verdachtsfälle gestiegen – Extremistenzahl bleibt klein

Blick auf die sitzenden Zuhörer der Veranstaltung

Das Publikum verfolgt die Diskussion zum Thema Rechtsextremismus und Bundeswehr interessiert.

Bundeswehr/Christian Deckart

Auf dem Podium war man sich einig, dass jeder Fall einer zu viel sei und alle weiter wachsam bleiben müssten. Die gestiegene Zahl der Verdachtsfälle zeige dabei die Sensibilisierung der Mitarbeitenden der Bundeswehr. Die Zahlen der als gesichert rechtsextrem eingestuften Personen sind jedoch stabil im niedrigen zweistelligen oder sogar einstelligen Bereich. Die Journalistin und Autorin Heike Kleffner ging jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus, ohne dafür Hinweise oder Belege zu haben. Dafür erhielt sie auch von den Mitdiskutanten viel Widerspruch. Dr. Högl brach hier eine Lanze für die Soldatinnen und Soldaten. Dem schloss sich auch Prof. Neitzel an. Analog zu seiner These zu Weimar stellte er die Vermutung an, dass die Werte der Bundesrepublik vermutlich als letztes noch von der Bundeswehr verteidigt würden.

  • Eine blonde Frau mit schwarzem Kleidung und schwarzem Jackett

    Dr. Eva Högl, Juristin, Wehrbeauftrage des Deutschen Bundestages

    Bundeswehr/Christian Deckart
  • Eine Frau mit rötlichen Haaren und Brille und gelbem Pullover mit dunklem Jackett

    Heike Kleffner, Journalistin

    Bundeswehr/Christian Deckart
  • braunhaariger Mann mit Brille, Hemd und Sakko

    Prof. Dr. Sönke Neitzel, Historiker, Universität Potsdam

    Bundeswehr/Christian Deckart
  • Ein Mann mit Glatze und dunkelblauem Sakko

    Dr. Heiko Biehl, Sozialwissenschaftler, ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr

    Bundeswehr/Christian Deckart
  • Ein Mann mit dunklem Haar, Brille und schwarzem Sakko

    Dr. Andreas Braune, Historiker, Moderator

Link zur Aufzeichnung der Veranstaltung:

Livestream und Videos | Topographie des Terrors

von Christian  Deckart