61. Internationale Tagung für Militärgeschichte (ITMG)

Panel 6: Military Justice and the Radicalisation of Warfare in the Japanese Armed Forces during the Asia-Pacific War. Ein Bericht

Panel 6: Military Justice and the Radicalisation of Warfare in the Japanese Armed Forces during the Asia-Pacific War. Ein Bericht

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Für die Frage zwischen legaler und illegaler militärischer Gewalt ist die Militärgerichtsbarkeit und ihre Praxis der Rechtsprechung eine wichtiger Indikator. Im sechsten  Die Angehörige des vom Europen Rsearch Council geförderten  Projekts Law Without Mercy: Japanese Courts-Martial and Military Courts During the Asia-Pacific War, 1937-45” stellten in diesem Panel ihre Forschungsergebnisse vor.

Panel 8 - 61. ITMG

Graphic Recording des 8. Panels "Military Justice and the Radicalization of Warfare in the Japanese Armed Forces during the Asia-Pacific War" der 61. ITMG

ZMSBw/Nadine Rossa

Military Discipline and Insubordination

Zunächst stellte Tino Schölz das Projekt “Law Without Mercy: Japanese Courts-Martial and Military Courts During the Asia-Pacific War, 1937-45” vor, das unter der Leitung von Urs Matthias Zachmann an der Freien Universität Berlin angesiedelt ist und vom European Research Council finanziert wird. Das Projekt verfolgt das Ziel, Japans Kriege von 1937 bis 1945 systematisch dahingehend zu untersuchen, welche Rolle die Militärjustiz für die Durchsetzung bzw. Missachtung nationaler wie internationaler Normen der Kriegführung spielte, indem sie einerseits für die eigenen Soldaten Grenzen zwischen erlaubter und nicht erlaubter Gewalt zog, andererseits aber auch selbst ein Instrument militärischer Machtausübung in den besetzten Gebieten oder gegenüber Kriegsgefangenen war. Wiewohl der Chinesisch-Japanische Krieg (1937-1945) und der Pazifische Krieg (1941-1945) unter politischen, diplomatischen, militärischen, sozialhistorischen und inzwischen auch erinnerungskulturellen Aspekten als gut erforscht gelten kann, so ist die japanische Militärjustiz bislang wenig untersucht worden. Diese Forschungslücke soll das Projekt „Law Without Mercy“ schließen. 

In seinem Vortrag ging Schölz auf die Strukturen des japanischen Militärjustizsystems ein, das sich aus kenpei (Militärgendarmerie), hōmu-bu/-kyoku (Militärjustizverwaltung), rikugun gunpō kaigi (Kriegsgerichten) und rikugun keimu-sho (Militärgefängnissen) zusammensetzte.  Dabei waren die militärjustiziellen Vollmachten der chōkan (Kommandeure) nahezu allumfassend. Das Ziel des japanischen Militärjustizwesens bestand vornehmlich darin, die Disziplin der Soldaten aufrechtzuerhalten und die militärischen Ziele zu unterstützen und durchzusetzen. Neben der oben genannten amtlichen Militärjustiz verwies Schölz auch auf ein informelles Strafsystem, das von Soldaten und / oder Vorgesetzten an Soldaten ausgeübt wurde (jp. shiteki seisai). Schölz konnte anhand von Statistiken belegen, dass die Anzahl der Strafen, die durch Kriegsgerichte des Heeres verhängt wurden, mit Ausbruch des Chinesisch-Japanischen Krieges 1937 (unter 1.000) bis gegen Ende des Krieges (1944: ca. 5.500) jährlich stetig zunahm, während die Kurve im Verhältnis zum Anwachsen der Heeresstärke bis 1944 eher die Form einer Wellenbewegung mit leicht sinkender Tendenz annahm. Anhand weiterer Zahlen aus den Jahren 1937-1941 belegte Schölz, dass beispielsweise der Anteil der von einem Kriegsgericht verurteilten aktiven Soldaten zunahm, während derjenige der Reservisten abnahm. Nach Schölz kann die Kriminalität anhand der Entwicklung dieser Zahlen sowohl als Faktor als auch als Indikator für die Totalisierung der Kriegführung angesehen werden. Gleichzeitig gefährdete die Entwicklung der Kriminalität als Zeichen der Totalisierung die innere Ordnung und die Kriegsziele des japanischen Heeres, während Gegenmaßnahmen weitgehend unwirksam blieben.

Standardizing Military Violence

Im zweiten Vortrag des Panels „Standardizing Military Violence: The Role of Judge Advocates in the Imperial Japanese Army during the Second Wolrd War“ zeigte Urs Matthias Zachmann den Zusammenhang zwischen Recht, Gewalt sowie militärischer Entwicklung und Notwendigkeit aus einer Mikroperspektive auf, indem er anhand des Tagebuchs eines Akteurs den Weg der japanischen 10. Armee bis Nanking (1937/1938) nachzeichnete. Beim Autor handelt es sich um hōmukan (Kriegsgerichtsrat) Ogawa Sekijirō. Ogawa war Angehöriger der japanischen 10. Armee, die wie das japanische Shanghai-Expeditionskorps über eine eigene Rechtsabteilung verfügte. Hōmukan waren 1922 eingeführt worden und können als Kennzeichen einer Professionalisierungstendenz im japanischen Militär angesehen werden. Sie hatten die Aufgabe, Rechtsfälle zu untersuchen, zu verfolgen und vor Gericht zu bringen. Im fraglichen Jahr des Beginns des Chinesisch-Japanischen Krieges (1937) verfügte das japanische Heer über 75 hōmukan, im Jahre 1941 stieg ihre Zahl auf insgesamt 89 an, während die Marine über 37 verfügte. Allein diese Zahlen lassen auf ein Missverhältnis von Juristen im Heer schließen, wenn man bedenkt, dass für eine Armee von 200.000 Mann (wie die 10. Armee) lediglich drei Juristen und drei Rechtshelfer zur Verfügung standen. Dieses Missverhältnis lässt sich nach Zachmann auch anhand der Verfolgung von Straftaten im China-Feldzug der 10. Armee 1937/1938 ablesen, während dessen Verlauf eine große Zahl von Straftaten gegen die feindliche Zivilbevölkerung nicht verfolgt wurden. Anhand dieser Tendenz lässt sich eine Radikalisierung des Kriegsgeschehens ablesen, die ihren Grund auch darin hatte, dass das Invasionsheer nicht ausreichend bevorratet war und sich aus dem Land versorgen musste. Plünderungen waren daher aus Sicht der damaligen Akteure eine militärische Notwendigkeit, die das Recht außer Kraft setzte. Narratologisch interessant ist darüber hinaus die zunehmende Abstumpfung und Verrohung von Ogawa selbst, die mit fortschreitendem Verlauf des Feldzuges in seinem Tagebuch zum Ausdruck kommt. Bedauerte er zu Beginn des Feldzuges der 10. Armee noch die unterworfenen Menschen der gegnerischen Seite, so zeigte er mit Fortschreiten des Krieges kein Mitgefühl mehr. In seinem Vortrag konnte Zachmann anhand dieses Akteurs aufzeigen, dass das Recht im Chinesisch-Japanischen Krieg das Prinzip der militärischen Notwendigkeit dem der Rechtmäßigkeit und auch Angemessenheit militärischer Gewaltanwendung unterworfen wurde.     

The Limits of Military Necessity

Im dritten Vortrag zum Thema „The Limits of Military Necessity: Unrechtmäßige Prozesse und summarische Exekutionen auf den Andamanen und Nikobaren während der japanischen Besatzung, 1942-1945“ führte Dr. Kelly Maddox exemplarisch in die japanische Militärrechtspraxis ein, die auf den Inselgruppen der Andamanen und Nikobaren während der japanischen Besatzung angewandt wurde. Mit der Besetzung der Andamanen und Nikobaren übte Japan seit 1942 auf den Inseln im Golf von Bengalen die Besatzungsherrschaft aus. Um Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten bemühte sich Japan um die Einhaltung der Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung von 1907 (HLKO), obwohl diese hinsichtlich der Beschränkungen der Ausübung der richterlichen Gewalt durch Kriegsparteien in besetzten Gebieten mehrdeutig waren. Während der japanischen Besatzungszeit galt das Kriegsrecht, aber es wurden keine regulären Militärgerichte auf den Inseln eingerichtet. Die Justizbeamten mussten für Strafverfahren aus Singapur anreisen. Dies wurde immer schwieriger, je weiter der Krieg voranschritt und je ungünstiger die Bedingungen für Japan wurden. In dieser Situation spielten die Militärkommandanten auf den Inseln eine größere Rolle bei der Ausübung der richterlichen Gewalt. Vor allem gegen Ende des Krieges kam es zu einer Vielzahl von Hinrichtungen von Zivilisten, die summarisch oder ad-hoc durchgeführt wurden. Vizeadmiral Hara Teizō war Befehlshaber der japanischen Flotte auf den Andamanen und ließ Anfang August 1945 neun burmesische (myanmarische) Zivilisten hinrichten, die versucht hatten, in Booten von der Insel zu fliehen. In einem Prozess nach dem Krieg wurde die Rechtmäßigkeit des Falles von einem alliierten Gericht überprüft. In seinem Urteil kam das Gericht zu dem Schluss, dass Haras Entscheidung nicht rechtswidrig war, da er die japanische Gesetzgebung und Rechtspraxis nicht umgangen hatte, die unter den besonderen Bedingungen des Krieges im Jahr 1945 befolgt werden konnten. Hara wurde zusammen mit den Klägern Shimazaki und Yanagimoto freigesprochen, während die Vollstrecker des Urteils zum Tode verurteilt wurden, weil die Hinrichtungen auf unnötig grausame Weise vollzogen worden waren. Der zweite Fall betraf Generalmajor Itsuki Toshio, der nach dem Krieg von einem alliierten Gericht zum Tode verurteilt wurde. Itsuki hatte während der Besatzungszeit 83 Personen wegen des Verdachts auf Spionage hinrichten lassen. Die Geständnisse waren durch Folter erzwungen worden, darüber hinaus hatte es keine Verhandlungen gegeben. Die Prozessbeteiligten, Itsuki, Hauptmann Ueda Mitsuharu und Oberstleutnant Sakagami Shigeo, wurden zum Tode und zu 15 bzw. drei Jahren Haft verurteilt. Diese Beispiele der japanischen Rechtspraxis zeigen, in welchem Spannungsfeld sich die japanische Militärjustiz in der japanischen Besatzungszone bewegte. Lücken im Völkerrecht wurden 1949 durch die Präzisierung der Genfer Konvention zwar geschlossen, aber der Interpretationsspielraum (Genfer Konvention von 1949, Art. 64) ist nach wie vor enorm.

Youtube - 61. ITMG - 13

von Frank Käser

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