61. Internationale Tagung für Militärgeschichte (ITMG)

Panel 5: Strategien der Kriegführung im postheroischen Zeitalter. Ein Bericht

Panel 5: Strategien der Kriegführung im postheroischen Zeitalter. Ein Bericht

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Cyberraum, Hackerinnen und Hacker, machinenelle Intelligenz, hybride Kriege - hat sich die Kriegführung in denm letzten Jahrzehnten fundamental gewandelt? Kann das Recht hier überhaupt noch Schritt halten? Den gesellschaftlichen Debatten über Kriegführung im vermeintlich „postheroischen“ Zeitalter und den damit verbunden Neubestimmung militärischer Gewalt jenseits des Körpers sowei der rechtlicher Rahmung neuer Gewaltsamkeiten geht dieses Panel nach.

KServerraum mit vielen Kabeln und Konsolen in einer Liegenschaft der Budneswehr

Cyberattacken
Netzwerkverbindungen in einem Serverraum in einer Liegenschaft der Bundeswehr

(c) 2015 Bundeswehr / Rimmele

Im siebten Panel der ITMG sprachen Janine Schmoldt und Katharina Kukuk über Strategien der Kriegführung im postheroischen Zeitalter.

Patriotische Hacker, Selbstermächtigung und das Recht

Im siebten Panel der ITMG sprachen Janine Schmoldt und Katharina Kukuk über Strategien der Kriegführung im postheroischen Zeitalter. Die Metapher des Postheroischen, die die sicherheitspolitische Diskurse und Debatten über Krieg und Kriegführung seit Mitte der 1990er Jahren prägt, diente dabei als Ausgangspunkt für die beiden Vorträge.

Janine Schmoldt, M.A.Master of Arts, ist Doktorandin am Lehrstuhl für internationale Beziehungen an der staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt. In ihrem Vortrag Sicherheit und Unsicherheit im (Cyber-)Krieg: Patriotische Hacker im Spiegel des Völkerrechts beleuchtete sie anhand der Figur des patriotischen Hackers die Herausforderungen für völkerrechtliche Normen und deren Anwendung im häufig anonym bleibenden Cyberraum, in dem Akteurinnen und Akteure mit verschleierter Identität operieren. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen war das von der NATO herausgegebene Tallinn Manual on the International Law Applicable to Cyber Warfare Tallinn Manual, das inzwischen den Status eines „informellen Gesetzbuches“ erlangt habe. Dieses Handbuch habe zum Ziel, Unsicherheiten für die Mitgliedsstaaten in ihrem Agieren im Cyber-Raum zu reduzieren und Handlungssicherheit zu generieren, was, so Schmoldts These mit Blick auf die Praxis, jedoch nicht gelänge.

So werde beispielsweise der patriotische Hacker, den sie in Anlehnung an Clausewitz als Patriotic Chameleon bezeichnet, im Tallin Manual als nicht-staatlicher Akteur eingeordnet. Es sei jedoch schwierig nachzuweisen, wann patriotische Hacker, die im Gegensatz zu Hacktivisten auch zur Verteidigung des eigenen Landes an bewaffneten Konflikten mit Mitteln der Cyberkriegführung teilnehmen, im Auftrag eines Staates als Cyber-Proxy oder aus eigener patriotischer Initiative handelten. Die Motivlage patriotischer Hacker sei damit nicht immer eindeutig und führe zu einem völkerrechtlichen Attributionsproblem. In dem Moment, in dem diese Hacker im Auftrag eines Staates arbeiteten, seien sie eben als Kombattanten und nicht als  einzuordnen. Patriotische Hacker seien demnach schwer mit analytischen Konzepten und normativen Bewertungen fassbar und die Einordnung als Nicht-Kombattant durch das Tallinn Manual, mit allen daraus folgenden völkerrechtlichen Implikationen, sei weder so eindeutig noch bringe es Rechts- und Handlungssicherheit mit sich.

Heroismus, Biomacht und Postheroische Souverenität

Katharina Kukuk, die 2022 an der philosophischen Fakultät der Universität Bonn promoviert wurde, ist Honorardozentin für den Bereich Gesundheit und Soziales an der Internationalen Hochschule Köln. In ihrem Vortrag Zwischen Krieg und Postheroismus – Vom Ende des klassischen Heldentums zu einer Biopolitik des militärischen Konflikts beschrieb sie den Wandel vom heroischen zum postheroischen Zeitalter und dessen Implikationen für den Krieg Russlands gegen die Ukraine. Sie verband dabei literaturwissenschaftliche und religionssoziologische Ansätze und erklärte eindrücklich den Wandel der heroischen Gemeinschaft zur postheroischen Gesellschaft, die sich beispielsweise in der Deutung des Todes unterscheiden. Erstere lade den Tod sinnhaft auf, der Tod werde gar zum heroischen Opfer, während letztere Krieg und Kampf als bloße Abschlachtung begreife und am Leben orientiert sei.

Das Heldentum, das in Anlehnung an Max Webers charismatischen Herrschaftstyp Ordnungen stabilisiert habe, fehle in postheroischen Gesellschaften als ordnende Kraft. Kukuk sieht die foucaultsche Biomacht als neue Form der postheroischen Souveränität, in der im Gegensatz zum heroischen Zeitalter der Tod abgewertet und das Leben aufgewertet werde und so nicht mehr der Tod, sondern das Leben der Bezugspunkt sei. Angewandt auf den aktuellen Krieg Russlands gegen die Ukraine kommt sie zu dem Schluss, dass aufgrund der unterschiedlichen Denksysteme – Ukraine als heroische Gemeinschaft, Russland heroisch-postheroisch, die EU postheroisch – nicht nur Sanktionen scheiterten, sondern auch Krieg und kodifiziertes Recht verschoben würden. Durch die biopolitischen Strategien mit dem Fokus auf die KIkünstliche Intelligenz-Maschinerie werde die als lebensstiftend gedachte Biomacht in ihr Gegenteil verkehrt, womit letztendlich eine Illusion rechtlicher Sicherheit entstehe. 

Heroismus, Postheroismus Reheroisoerung?

Die anschließende Diskussion machte besonders die Anschlussfähigkeit der beiden Vorträge zueinander deutlich. Vor dem Hintergrund der Frage nach der (militärischen) Überlegenheit des Heroischen über das Postheroische und einer sich gegebenenfalls aktuell abzeichnenden „Reheroisierung“ kamen die beiden Vortragenden zu dem Schluss, dass Cyberattacken zwar als Mittel der Kriegführung der postheroischen Gesellschaft eingeordnet werden können, jedoch patriotische Hacker in ihren nationalen Gesellschaften durchaus auch als Helden gefeiert werden können und der Begriff des Helden somit relevant bleibt.

Auch die Begrifflichkeit des Todes erfahre in Anlehnung an Foucault eine neue Bedeutung in der Informationsgesellschaft, nicht mehr nur der physische, sondern der soziale und gesellschaftliche Tod werde relevant. Gerade der Cyberkrieg, bei dem noch nicht einmal eindeutig sei, ob es sich dabei um ein rein performatives sprachliches Gebilde oder einen bewaffneten Konflikt handle, was wiederum völkerrechtliche Implikationen mit sich bringe, werfe ein ganz neues Licht auf die Fragen der Definition von Schädigung und Störung. Diese zielten im Cyberraum häufig nicht direkt auf die physische Schädigung von Personen, sondern mit der Möglichkeit der Störung von Lieferketten und Infrastruktur oder der sozialen Schädigung von Individuen, eben auch auf den gesellschaftlichen und sozialen Tod ab.

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von Kerrin Langer

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