Panel 3: Anwendung und Wandel des Prinzips militärischer Notwendigkeit. Ein Bericht
Panel 3: Anwendung und Wandel des Prinzips militärischer Notwendigkeit. Ein Bericht
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Das Prinzips der „militärischer Notwendigkeit“ ist alles andere klar. Kontexte bestimmen was als militärisch notwendig gilt und was erlaubt und was verboten und was gedult wird. In diesem Panel ging erstens um die Ausweitung militärischer Gewalt in den zivilen Raum, zweitens um die Enthemmung von Gewalt im inneren Gefüge einer Streitkraft sowie drittens um das Spannungsverhältnis von militärischer Notwendigkeit und der Berücksichtigung humanitärer Regeln.
Kombattanten und Nichtkombattanten
David Hager (Université de Picardie Jules Verne, Amiens) trug zur Bombardierung von Städten abseits der Front während des Ersten Weltkrieges und der Debatte um deren Legalität und Legitimität in der französischen Presse vor. Dabei wurde ein Wandel in der Darstellung deutlich: Galt die deutsche Bombardierung von am Krieg unbeteiligten französischen Städten anfangs noch als bedauerlich aber unvermeidlich, so dominierten bald Berichte, welche die Bombardierungen aufgrund der Opferzahlen als Terrorangriffe fern der Regeln des Krieges kennzeichneten. Dies führte umgekehrt dazu, dass französische Angriffe auf deutsche Städte nicht mehr nur auf militärische Objekte abzielten, einerseits als Vergeltungsmaßnahme, andererseits aber auch zur Demoralisierung der deutschen Gesellschaft und einer erhofften Verkürzung des Krieges. Insgesamt zeigte sich in der Debatte die Tendenz, eine Entgrenzung des Krieges zu befürworten sowie eine zunehmende Infragestellung der Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten.
Gewalt innerhalb der Streitkräfte
Daniel Gunz (Universität Wien) ging der Frage nach, ob physische Gewalt ein (il)legitimes Instrument des „Erhalts“ und der „Förderung“ militärischer Disziplin sei und untersuchte dazu das Verbrechen der „Soldatenmisshandlungen“ in Österreich-Ungarns Streitkräften des Ersten Weltkrieges. Zunächst zeigte er den Wandel im rechtlichen Rahmen hinsichtlich der Gewalt militärischer Vorgesetzter gegen eigene Soldaten auf. Die Formen legaler Gewalt wurden zwar zusehends begrenzt, doch zeigte sich, dass es in der Anwendung legaler Maßnahmen immer wieder illegale Verschärfungen gab. Während des Ersten Weltkrieges lassen sich in der k.u.k. Armee häufig physische Übergriffe, vor allem in Form von Misshandlungen von Untergebenen und Beleidigungen nachweisen. Diese interne Gewalt war dabei nicht nur ein Sanktionsmechanismus, sondern diente auch überforderten Vorgesetzten als Versuch, ihre Autorität aufrechtzuerhalten. Misshandlungen von Soldaten wurden gerichtlich nur zu etwa einem Drittel und dann auch nur milde geahndet. In den Misshandlungen zeigten sich auch die nationalen Konflikte innerhalb der multinationalen k.u.k. Armee bis hin zu institutionellen nationalistischen Ressentiments bei bestimmten Militärkommandos. Zusammenfassend zeigte sich eine Fluidität zwischen legaler und illegaler Gewalt im Strafregime der k.u.k. Armee, wobei die Misshandlungen einen destabilisierenden Einfluss auf die Kampfmoral sowie das Gefühl staatlicher Zugehörigkeit hatten.
Humintarismus vs. „Notwendigkeit“
Jean-Michel Turcotte (Leibniz Institut für Europäische Geschichte, Mainz) blickte auf die Entstehung sowie die Weiterentwicklung der Genfer Konvention von 1864 bis 1949 und damit auf den Aushandlungsprozess hinsichtlich der allmählichen Integrierung humanitärer Regeln in die militärische Kriegführung. Die Forschung sah diesen Prozess bisher vor allem zivil geprägt, insbesondere durch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Der Einfluss der ebenfalls daran beteiligten Militärs wurde als nur rudimentär bewertet, da jene meist ablehnend gegenüber humanitären Regeln die militärische Notwendigkeit von Gewalt hervorhoben. Turcotte hinterfragte die bisherige Sicht auf die Rolle des Militärs im Genfer Prozess und zeigte auf, dass es unter den Soldaten unterschiedliche Sichtwiesen und damit auch Ansätze gab, die Unmenschlichkeit im Kriege einzuschränken.
Alle drei Vorträge verdeutlichten, dass das Prinzip der militärischen Notwendigkeit in verschiedenen Facetten innerhalb des Militärs, aber auch im Aushandlungsprozess mit der Gesellschaft, auftritt und zudem einem historischen Wandlungsprozess unterliegt.